Milchkühe 

Was steckt hinter Ihrem täglichen Glas Milch?

18.5.2021

20,3 Millionen Milchkühe werden in der Europäischen Union gehalten. Größter Milchproduzent der EU ist Deutschland – in Österreich leben rund 526.000 Milchkühe. Der Großteil von ihnen leidet unter den Haltungsbedingungen. In modernen Ställen leben Milchkühe in sogenannten Liegeboxen-Laufställen. In Österreich leben jedoch circa 42% aller Rinder in Anbindehaltung. Laut Schätzungen ist die Hälfte dieser Rinder durchgängig angebunden¹. 

Dauerhafte Anbindehaltung von Rindern über 365 Tage im Jahr ist hierzulande immer noch erlaubt, wenn der Betrieb angibt, keine Möglichkeit zu haben, den Tieren Auslauf zu gewähren. Was ursprünglich als Ausnahmeregelung gedacht war, wird so schnell zum Regelfall. Den bewegungsfreudigen, reinlichen und hoch sozialen Tieren ist es bei dieser Haltungsform nicht möglich, ihren natürlichen Bedürfnissen nachzugehen. Sie können weder ihr Sozialverhalten ausleben noch erfahren sie jemals ein Außenklima. Außerdem werden sie beim Aufstehen und Hinlegen behindert. In den Ställen stehen die Tiere meist ohne ausreichend Einstreu. Durch die harte Liegefläche leiden die Tiere an schmerzhaften Liegeschwielen und Gelenksentzündungen.

Nur eine Kuh, die kalbt, gibt Milch

Vielen Menschen ist nicht klar, dass Milchkühe nicht „einfach so“ Milch geben. Die Milch ist eigentlich zur Ernährung ihres Kalbes gedacht – es ist Muttermilch. Nur, wenn die Kuh ein Kalb zur Welt gebracht hat, produziert sie auch Milch. Zwar wurden Milchkühe auf eine enorme Milchleistung hin gezüchtet – Voraussetzung ist aber stets, dass sie ein Kälbchen hat. Eine Milchkuh wird in der Regel nach Eintreten der Geschlechtsreife sofort künstlich besamt. Zu diesem Zeitpunkt ist sie etwa 16 bis 18 Monate alt. Bringt sie das Kalb zur Welt, nimmt man es ihr nach wenigen Stunden oder Tagen weg – denn schließlich beansprucht der Mensch die Kuhmilch für sich. Für das Kalb ist sie zu wertvoll.

Die Trennung von Kuh und Kalb ist für beide eine erhebliche psychische Belastung Kühe sind ausgesprochen soziale Lebewesen und ihren Kälbern gegenüber sehr fürsorglich. Die Mutterkuh ruft oft verzweifelt nach ihrem Kalb. Wächst das Kalb nicht bei seiner Mutter auf, ist es oft krankheitsanfälliger. Es erhält nur Milchersatz aus einem Eimer – und das aus Zeitgründen meist nur zweimal pro Tag. Kann das Kalb am Euter der Mutter saugen, tun sie das sechs bis acht Mal am Tag. Bei der Milchersatzfütterung sind die Kälber entsprechend hungrig und trinken sehr hastig. Das kann zu lebensbedrohlichem Durchfall führen. Die Folge: Rund zehn Prozent der Kälber in Milchbetrieben sterben.

Nach der Geburt des letzten Kalbes wird eine Milchkuh so schnell wie möglich wieder besamt, damit sie möglichst viel Milch gibt. 

Kühe müssen immer mehr Milch geben

Die Milchleistung pro Kuh, d.h. die Milchmenge, die eine Kuh pro Jahr abgibt, ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.

In vielen europäischen Ländern hat sich die Milchleistung pro Kuh in den letzten 40 Jahren mehr als verdoppelt. Der dramatische Anstieg der Milchleistung pro Kuh ist auf den raschen Fortschritt in Genetik und Management zurückzuführen. Bis Mitte der 1980er Jahre war der größte Teil des Anstiegs der Milchleistung das Ergebnis eines verbesserten Managements, insbesondere einer besseren Anwendung von Ernährungsstandards und einer verbesserten Qualität des Raufutters. Seitdem wurden Genetik und hochintensive Fütterung zum wichtigsten Faktor als direkte Folge des Einsatzes der künstlichen Besamung, der intensiven Selektion auf der Grundlage von Nachkommenschaftstests bei Bullen und der weltweiten Verbreitung von Samen von Bullen mit hohem genetischen Wert für die Produktion.

Eine durchschnittliche Produktion von über 10.000 kg Milch pro Kuh ist in den USA nicht ungewöhnlich und in Europa zunehmend üblich. Einzelne Kühe können doppelt so viel produzieren². Derzeit liegt der EU-Durchschnitt bei mehr als 7.000 Litern pro Kuh³ und er steigt weiter an.

In Österreich liegt die Milchleistung im Schnitt bei 7.200 Litern. Es werden zu 80 Prozent Rinder der Rasse "Fleckvieh" gehalten, die sowohl Milch geben als auch Fleisch ansetzen. Jedoch geht auch hierzulande der Trend in Richtung einer möglichst hohen Milchleistung. Die Tiere bekommen enorme Mengen Kraftfutter in Form von Getreide und Soja, um eine solch hohe Milchleistung zu erzeugen.

Krank auf Grund der hohen Milchleistung

Diese Art der Fütterung ist nicht artgemäß, denn Rinder sind Wiederkäuer, deren Nahrungsgrundlage normalerweise Gras oder Heu sein sollte. Viele Kühe kommen körperlich mit der enormen Milchleistung nicht mit und leiden an lebensbedrohlichen Stoffwechselstörungen und schmerzhaften Euterentzündungen. Durch die hochkonzentrierte Fütterung kommt es bei vielen Tiere außerdem zu einer starken Übersäuerung des Pansens und zu schmerzhaften Erkrankungen der Klauen.

36 Prozent der Kühe lahmen deshalb. Lahmheiten bei Milchkühen haben stark zugenommen und sind nach Fruchtbarkeitsproblemen und Eutererkrankungen der dritthäufigste Grund, warum Kühe aufgrund von Krankheiten aussortiert und geschlachtet werden. Eine Milchkuh wird heute in Österreich im Schnitt nicht älter als sieben Jahre – und das, obwohl ein Rind erst mit fünf Jahren ausgewachsen ist und die natürliche Lebenserwartung von Rindern eigentlich bei etwa 20 Jahren liegt. 

Milchkühe spezieller Rassen, die besonders hohe Milchleistungen erzielen, magern bereits nach kurzer Zeit in der Melkperiode ab, da zu dieser Zeit die Milchproduktion am höchsten ist und sie nicht so viele Kalorien aufnehmen können, wie sie für die Milchproduktion verbrennen.

Was können Sie tun, um eine tierfreundliche Milchkuhhaltung zu unterstützen?

  • Sich gegen qualvolle Haltungsbedingungen einsetzen
  • Informieren Sie sich beim Kauf von Milchprodukten über die Haltungsbedingungen und greifen Sie zu Produkten bei denen auf Tierwohl geachtet wird
  • Bevorzugen Sie stattdessen Produkte, die tierfreundlich und/oder biologisch produziert wurden
  • Versuchen Sie, Ihren Milchkonsum einzuschränken
  • Kaufen Sie mehr pflanzliche Alternativen wie Hafer- oder Reismilch oder daraus hergestellte Produkte. Es gibt mittlerweile eine große Auswahl an pfalnzlicher "Milch", "Joghurt" oder "Käse".
  • Fragen Sie in Restaurants und Cafés auch nach der Herkunft der verwendeten Milch oder nach  pflanzlichen Alternativen. Viele Restaurants bieten zum Beispiel pflanzliche Milch anstelle von Kaffeesahne an - oder wären bereit, diese in das Angebot aufzunehmen, wenn eine ausreichende Nachfrage besteht.

bis zu 12.000 Liter Milch im Jahr

geben Hochleistungskühe. Vergleichbar ist diese körperliche Leistung mit einem Spitzensportler, der jeden Tag einen Marathon laufen muss. 

VIER PFOTEN fordert...

...eine strukturelle Veränderung der gesamten Milchproduktion:

 

  • Mutter- oder Ammenkuhhaltung bzw. kuhgebundene Kälberaufzucht - die Trennung eines Kalbes von seiner Mutter sollte verboten oder zumindest durch säugende Kühe ersetzt werden
  • Generelles Verbot der Enthornung und des Schwanzkürzens
  • Vollständiges Verbot der Anbindehaltung der Tiere und der Haltung auf reinen Vollspaltenböden sowie
  • Forderung nach einer geringeren Anzahl an Tieren in den Ställen für mehr Platz für das Einzeltier
  • Geringere Milchleistung und längere Abkalbeintervalle, da sich dies sehr positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere auswirkt
  • Eine Verlagerung weg von den Hochleistungsrassen zurück zu den Doppelnutzungsrassen und weg von der Zucht auf Leistung hin zur Langlebigkeit
  • Bessere finanzielle Unterstützung von Landwirten, die auf tierschutzfreundliche Haltungssysteme umstellen - Tierschutz muss im Rahmen der EU-Gesetzgebung und der ausgegebenen Subventionen berücksichtigt werden

 

Darüber hinaus strebt VIER PFOTEN einen allgemeinen Strukturwandel in der Milchwirtschaft an. VIER PFOTEN spricht sich gegen die gängige Praxis aus, Kalb und Mutter unmittelbar nach der Geburt zu trennen, da dies im Widerspruch zu den Bedürfnissen der Tiere steht. VIER PFOTEN unterstützt Landwirte, die ihr Managementsystem auf mutter- oder ammengebundene Kälberaufzucht umstellen wollen. In größerem Umfang werden jedoch Verbesserungen für die Tiere nur möglich sein, wenn der Verbrauch von Milchprodukten gesenkt wird.

Milchkuh im Gatter

Schrecklicher Fakt


In der Werbung werden oft Bilder von Kühen auf saftigen Wiesen gezeigt. 
Lassen Sie sich davon nicht täuschen: Nur sehr wenige Milchkühe sehen jemals eine Weide.

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